Igelsteich foto ecd

Die Verfolgung der Täuferbewegung

Andreas und Katharina Kolb sind jung verheiratet, als sie sich am 7. Juni 1528, dem Sonntag nach Pfingsten, in Zella Sankt Blasii in Thüringen taufen lassen. Damit wagen sie etwas Unerhörtes: Ihre Säuglingstaufe erklären sie für ungültig, weil ihr keine mündige und freie Entscheidung zu einem christlichen Leben vorausgehen konnte.

Mit Andreas und Katharina Kolb werden auch andere junge Ehepaare getauft. Vor dem Zugriff der Behörden bringen sie sich durch Flucht aus ihrem Heimatort in Sicherheit. Andreas und Katharina lassen ihre beiden kleinen Kinder in der Obhut von Verwandten zurück und tauchen unter.

Nach wenigen Wochen wird die Gruppe entdeckt. Andreas ist der erste, der verhaftet wird. Er wird nach Reinhardsbrunn gebracht, einem Schloss, das dem Herzog von Sachsen-Gotha als Amtssitz dient. Im Verhör bekennt Andreas, dass er und seine Frau sich haben taufen lassen. Doch es geht ihnen um mehr. Ein Mitgefangener sagt aus, „das er kein Zeichen oder Losung unter ihnen wisse, denn das sie Stecken tragen, fromm (seien), das sie alle Güter gemein(sam haben), und niemand nichts eigenes haben soll“. Die Beschuldigten lehnen es also ab, Waffen zu tragen. Sie wollen ein radikal christliches Leben in umfassender Gemeinschaft leben, die auch die Gütergemeinschaft mit einschließt.

Andreas Kolb widerruft seine Überzeugungen und kommt frei. Ein Jahr später werden seine Frau und er erneut verhaftet, zusammen mit sieben anderen Täuferinnen und Täufern. Am 10. Januar 1530 wird Andreas verhört. Wieder versucht man ihn zu belehren, wieder versucht man ihn zum Widerruf zu bewegen. Diesmal bleibt Andreas standhaft. Seine Frau Katharina, eigentlich zum Widerruf entschlossen, will ihren Mann nicht im Stich lassen und zieht ihren Widerruf zurück.

Am 18. Januar 1530 werden Andreas und Katharina Kolb am Igelsteich bei Reinhardsbrunn hingerichtet. Zusammen mit ihnen sterben Barbara Unger, Katharina König, Elsa Kuntz und Christoph Ortlepp. Sie waren die ersten Täuferinnen und Täufer, die wegen ihres Glaubens unter einer lutherischen Regierung umgebracht wurden.

Eine erste Rechtsgrundlage für das Vorgehen gegen die Täuferbewegung war das ursprünglich gegen Martin Luther gerichtete Wormser Edikt von 1521, das die Verbreitung von reformatorischen Überzeugungen durch Predigt und Schriften verbot. Zum Wormser Edikt kamen wenige Jahre später weitere, speziell gegen die Täuferbewegung gerichtete Verfügungen:

  • Bereits 1526 erließ der Zürcher Rat ein Mandat gegen die Täufer, das ihnen die Todesstrafe androhte.
  • Im Mai 1527 verkündeten die Schweizer Städte Zürich, Bern und St. Gallen, dass „Wiedertäufer“ nicht nur wegen ihrer abweichenden Taufauffassung, sondern auch wegen „Aufruhr“ hingerichtet werden sollen.
  • Ab 1527 wurden in Österreich mehrere Mandate gegen die Täuferbewegung erlassen, nicht nur, weil sie die christliche Einheit der Gesellschaft in Frage stellten, sondern auch, weil man sie des Aufruhrs verdächtigte.
  • Auf dem Reichstag von Speyer 1529 wurde dann von allen Reichsständen des Hl. Röm. Reiches deutscher Nation beschlossen, dass „alle und jede Widertaeuffer und Widergetauffte, Mann- und Weibs-Personen, verstaendigs Alters, vom natürlichen Leben zum Tod, mit Feuer, Schwerdt, oder dergleichen, (…) gericht und gebracht werden“.
Verfolgung schweizer täufer
Gefangennahme von Täufern im Herrliberger Wald bei Zürich, Mai 1527. Aus: Heinrich Bullinger: Reformationsgeschichte, Abschrift von Heinrich Thomann, 1605.

Damit war deutlich: Täufer zu sein, bedeutete nicht, ein religiöser Abweichler zu sein, sondern vielmehr, ein Aufrührer zu sein. Täufer galten nicht nur als Ketzer, sondern als Verbrecher. Dies hing sicherlich auch mit dem Gewaltverzicht der Täufer oder ihrer Ablehnung des Eides zusammen – Haltungen, mit denen sie sich den politischen Gemeinwesen verdächtig machten, wenn sie auch die Obrigkeiten als von Gott eingesetzte Gewalt anerkannten.

Die Anwendung des Mandats wurde in den Territorien des Reiches sehr unterschiedlich gehandhabt. In Hessen oder Württemberg wurden Täufer in der Regel in langjährige Haft genommen oder ausgewiesen. In Kursachsen oder in den habsburgischen Ländern wurden viele Täuferinnen und Täufer gefoltert und hingerichtet. Wie viele um ihres Glaubens willen getötet wurden, lässt sich kaum noch sicher feststellen. Im Märtyrerspiegel werden etwa 800 täuferische Märtyrer namentlich aufgeführt. Auch im Geschichtbuch der Hutterischen Brüder werden Schicksale täuferischer Märtyrer beschrieben. Die Forschung geht davon aus, dass vielleicht etwa 1.500 Menschen im 16. und 17. Jahrhundert wegen ihres täuferischen Glaubens hingerichtet wurden, mit einem Höhepunkt der Exekutionen zwischen 1525 und 1533. Etwa ein Drittel der Getöteten waren Frauen.

Der eigentliche Titel des Märtyrerspiegel ist „Der blutige Schauplatz oder Märtyrerspiegel der Taufgesinnten oder wehrlosen Christen, die um des Zeugnisses Jesu, ihres Seligmachers, willen gelitten haben und getötet worden sind, von Christi Zeit bis auf das Jahr 1660“.

Der Märtyrerspiegel wurde1660 in niederländischer Sprache von Thieleman van Braght herausgegeben. Die erste deutsche Ausgabe erschien 1748/49 in Ephrata (Pennsylvania, USA). 1780 wurde das Werk in Europa zum zweiten Mal herausgegeben und in Pirmasens/Pfalz gedruckt. Auf über 1200 Seiten werden die Schicksale verfolgter Christen erzählt, angefangen bei dem ersten christlichen Märtyrer Stephanus (Apostelgeschichte 7,54ff) bis hin zu den Täufern des 16. Jahrhunderts.

Auszüge aus dem Märtyrerspiegel:
Sei_getreu_bis_in_den_Tod_EBook_MLanger.pdf

Titelblatt eines der vielen Nachdrucke des Märtyrerspiegel, Pirmasens 1780.
Titelblatt eines der vielen Nachdrucke des Märtyrerspiegel, Pirmasens 1780.