Fritz würtz als soldat

Mennoniten im Militär: Wie alte Glaubensüberzeugungen aufgegeben werden

Friedrich Würtz war erst 26 Jahre alt, als er am 12. November 1914 seinen Verletzungen erlag. Er hatte als Soldat der 3. bayerischen Infanteriedivision an dem Überfall deutscher Truppen auf belgische Ortschaften und an der Schlacht bei Ypern teilgenommen. Seine Ehefrau Erna, mit er erst seit zehn Monaten verheiratet war, schrieb vier Monate nach seinem Tod an eine Cousine ihres Ehemannes: „Wie oft kommen doch noch Stunden, in denen ich zu verzweifeln glaube und meine ich, das Heimweh nach meinem Liebsten nicht aushalten zu können. Helene, ich hatte ihn doch so mächtig lieb! Doch finde ich jetzt schon besser meinen Trost bei Gott und glaube ich fest, daß Fritz weiterlebt und noch glücklicher ist, als er es bei mir war.“ Schätzungen gehen davon aus, dass im Ersten Weltkrieg 400 mennonitische Soldaten gefallen sind.

Gedenktafel sembach
Gedenktafel in der Mennonitenkirche Sembach. Auf der mittleren Tafel wird an die im Ersten Weltkrieg gefallenen mennonitischen Soldaten erinnert, an den beiden äußeren Tafeln an die Toten des Zweiten Weltkriegs.

Seit dem frühen 19. Jahrhundert nahmen Mennoniten an den Kriegen ihrer Zeit teil: an den Kriegszügen Napoleons wie z.B. Heinrich Krehbiel aus der Gemeinde Weierhof, am deutsch-französischen Krieg wie z.B. der Landwirt Philipp Hege vom Oberbiegelhof, am Ersten Weltkrieg wie z.B. der Kaufmann Richard Classen aus Berlin und am Zweiten Weltkrieg wie z.B. der Hamburger Pastor Otto Schowalter.

Im 18. Jahrhundert hatte die Wehrlosigkeit zu den fürstlich gewährten Privilegien gehört. Im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter der Nationalstaaten, in dem aus Untertanen Bürger wurden, wurde die Rechtsgleichheit aller Staatsbürger zu einem allgemein anerkannten Prinzip. Das bedeutete auch, dass jeder Bürger einen Beitrag zur Verteidigung des Staates zu leisten hatte und bisherige Sonderrechte auf den Prüfstand kamen. Preußen führte schon 1813/14 die allgemeine Wehrpflicht ein. Mit der Reichsgründung 1871 wurde die Wehrpflicht auf alle deutschen Staaten ausgedehnt.

Als im 1867 gegründeten Norddeutschen Bund mit dem „Gesetz betreffend die Verpflichtung zum Kriegsdienste“ die Wehrpflicht bestätigt und alle Sonderrechte aufgehoben wurden, war dies Anlass zu einer breiten Debatte innerhalb der mennonitischen Gemeinden. Während der Prediger Christian Unzicker aus Kassel in den Mennonitischen Blättern von 1867 dafür plädierte, an der Wehrlosigkeit der Mennoniten festzuhalten und einen Ersatzmann für die stellvertretende Erfüllung des Wehrdienstes zu bezahlen, argumentierte der Ethnologe Wilhelm Mannhardt ein Jahr später, dass die traditionelle Wehrlosigkeit historisch bedingt sei und nicht zum Kernbestand mennonitischer Überzeugungen gehöre. Die meisten Mennonitengemeinden stellten es ihren jungen Männern frei, Wehrdienst zu leisten oder nicht. Der preußische Staat gewährte den Mennoniten mit einer Kabinettsordre von 1868, auch im Sanitätsdienst oder in der Verwaltung des Heeres waffenlosen Dienst tun zu können. Diese Regelungen wurden auch im 1871 gegründeten Kaiserreich übernommen.

Im Ersten Weltkrieg kämpften etwa 2.000 mennonitische Soldaten, etwa ein Drittel von ihnen im waffenlosen Dienst. Sie wurden von einer 1899 gegründeten Soldatenkommission betreut und von ihren Gemeinden unterstützt.

„Die wahren Christen wissen von keiner Rache…. Sie fassen ihre Seelen mit Geduld. Sie brechen den Frieden nicht ….und würden sie auch mit Feuer und Schwert versucht.“

„Eisen, Metall, Spieße und Schwerter lassen wir denjenigen, die leider Menschen- und Säueblut in gleichem Wert erachten.”

Menno Simons

Als 1935 unter Hitler die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt wurde, schrieb der Weierhöfer Prediger Christian Neff: „Ich bejahe den Wehrdienst. Wenn wir die Rechte des Staates genießen, so haben wir auch die Pflichten zu üben (…). Wenn wir auch das Prinzip der Wehrlosigkeit aufgegeben haben (…), so sollten wir doch, wo es gilt, für die eintreten, die aus Gewissensnot den Dienst mit der Waffe ablehnen und den Krieg verweigern.“ Und Erich Göttner, Pastor der Mennonitengemeinde Danzig, schrieb 1938: „Wir beanspruchen heutzutage keinerlei Ausnahme von der Wehrpflicht mehr. Damit geben wir freilich nicht den auf dem Evangelium ruhenden Friedensgedanken auf.“ Im Zweiten Weltkrieg leisteten wohl alle wehrfähigen Mennoniten Kriegsdienst.