Das schleitheimer bekenntnis 1527

Michael Sattler und die Schleitheimer Artikel vom 24. Februar 1527

Michael Sattler, der Verfasser der Schleitheimer Artikel, vielleicht 1490 geboren, trat als Jugendlicher in das Benediktinerkloster St. Peter bei Freiburg ein. Er studierte Philosophie und Theologie an der Universität Freiburg und wurde Prior des Klosters. 1523 verließ er das Kloster, wenig später heiratete er. Im Frühjahr 1525 hielten sich Michaels Sattler und seine Frau Margaretha in Zürich auf, wo wenige Wochen zuvor die erste Glaubenstaufe vollzogen worden war. Im November 1525 wurden sie, wie viele andere Täufer auch, aus der Stadt ausgewiesen. Doch auch in Straßburg, damals ein Zufluchtsort für viele Freigeister, geriet Sattler in Konflikt mit den dortigen Reformatoren und dem Stadtrat. Im Januar 1527 gingen die beiden nach Horb am Neckar und gewannen dort viele Menschen für das Täufertum. Bei Sattler verfestigte sich die Überzeugung, dass man nicht die gesamte Gesellschaft für den täuferischen Weg gewinnen könne. Immer wieder begegneten ihm und den anderen Täufern Unverständnis, Ablehnung, Verhaftung und Ausweisung.

Während eines Treffens in Schleitheim im Februar 1527 nahmen die dort versammelten Täufer die „Brüderliche Vereinigung etlicher Kinder Gottes“, das von Sattler verfasste Bekenntnis, als gemeinsame Grundlage des täuferischen Glaubens an. Die sieben Artikel dieses Bekenntnisses geben Einblick in Sattlers Überzeugungen:

  1. „Die Taufe soll allen denen gegeben werden, die über die Buße und Änderung des Lebens belehrt worden sind (….). Damit wird jede Kindertaufe ausgeschlossen (…).“
  2. „Der Bann soll bei allen denen Anwendung finden, die sich dem Herrn ergeben haben, seinen Geboten nachzuwandeln, und bei allen denen, die in den Leib Christi getauft worden sind, sich Brüder und Schwestern nennen lassen und doch zuweilen ausgleiten (…). Dieselben sollen zweimal heimlich ermahnt und beim dritten Mal öffentlich vor der ganzen Gemeinde zurechtgewiesen oder gebannt werden (…).“
  3. „Alle, die ein Brot brechen wollen zum Gedächtnis des gebrochenen Leibes Christi (…), die sollen vorher vereinigt sein zu einem Leib Christi (…) denn (…) wir können nicht zugleich teilhaftig sein des Tisches des Herrn und des Tisches der Teufel. (…) Alle, die dem Teufel folgen und der Welt, die haben kein Teil mit denen, die aus der Welt zu Gott berufen sind.“
  4. „Die Absonderung soll geschehen von dem Bösen und vom Argen, das der Teufel in der Welt gepflanzt hat, damit wir ja nicht Gemeinschaft mit ihnen haben. (…) Damit sind gemeint alle päpstlichen und widerpäpstlichen Werke und Gottesdienste, Versammlungen, (…) Bündnisse und Verträge des Unglaubens (…), was die Welt für hoch hält und was doch stracks wider den Befehl Gottes durchgeführt wird. (…) So werden dann auch zweifellos die unchristlichen, ja teuflischen Waffen der Gewalt von uns fallen (…) und jede Anwendung davon, sei es für Freunde oder gegen die Feinde (…).“
  5. „Der Hirte in der Gemeinde Gottes soll (…) einer sein, der einen guten Leumund von denen hat, die außerhalb des Glaubens sind. Sein Amt soll sein Lesen und Ermahnen und Lehren, Mahnen, Zurechtweisen, Bannen in der Gemeinde und allen Brüdern und Schwestern zur Besserung vorbeten, das Brot anfangen zu brechen (…).“
  6. „Das Schwert ist eine Gottesordnung außerhalb der Vollkommenheit Christi. Es straft und tötet den Bösen und schützt und schirmt den Guten. (…) Nun wird von vielen (…) gefragt, ob auch ein Christ das Schwert gegen den Bösen zum Schutz und Schirm des Guten und um der Liebe willen führen könne und solle. (…) Christus lehrt und befiehlt uns (Matthäus 11,29), dass wir von ihm lernen sollen, denn er sei milde und von Herzen demütig (…).“
  7. „Christus (…) verbietet den Seinen alles Schwören (…). Denn wir können nichts von dem garantieren, was beim Schwören versprochen wird (…).“

Im Mai 1527 wurden Michael und Margaretha Sattler gefangen genommen, nach Rottenburg gebracht und vor Gericht gestellt. Ihnen, sowie weiteren 9 Männern und 8 Frauen, wurden folgende Anklagepunkte vorgeworfen:

  1. Übertretung des Wormser Edikts
  2. Leugnung der realen Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi beim Abendmahl
  3. Ablehnung der Kindertaufe
  4. Ablehnung des Sakraments der Salbung mit Öl
  5. Verachtung und Beleidigung der Mutter Gottes und der Heiligen
  6. Verweigerung des Eides vor der Obrigkeit
  7. Feier des Abendmahls mit Brot und Wein als bloßes Gedächtnismahl
  8. Austritt aus dem Kloster und Heirat
  9. „ (…) hat er gesagt, wenn der Türke ins Land käme, sollte man ihm keinen Widerstand leisten, und wenn Kriegen recht wäre, wollte er lieber wider die Christen ziehen als wider die Türken. Das ist ein starkes Stück; den größten Feind unseres heiligen Glaubens uns vorziehen!“

Die ersten Anklagepunkte richteten sich gegen alle angeklagten Täufer; die letzten beiden betrafen nur Michael Sattler. Während des Prozesses wurde Michael Sattler gestattet, sich mit seinen mitangeklagten Brüdern und Schwestern zu beraten. Dann antwortete er unerschrocken auf die ihm vorgeworfenen

  • Zu Punkt 1: „Dass wir wider kaiserliche Mandate gehandelt haben, geben wir nicht zu. Denn diese beinhalten, dass man nicht der lutherischen Lehre (…) anhangen soll, sondern allein dem Evangelium und Wort Gottes. Das haben wir gehalten.“
  • Zu Punkt 5: „Wir haben die Mutter Gottes und die Heiligen nicht geschmäht. Vielmehr ist die Mutter Gottes zu preisen ob allen Weibern. Denn ihr ist die Gnade geschehen, dass sie den Heiland aller Welt geboren hat. Dass sie aber der Mittler und eine Fürsprecherin sei, davon weiß die Schrift nichts.“
  • Zu Punkt 6: „Denn der Herr sagt (Matthäus 5,34-37): Ihr sollt keinen Eid schwören, sondern euer Reden soll sein ja, ja; nein, nein.“
  • Zu Punkt 9: „Wenn der Türke kommt, soll man ihm keinen Widerstand leisten. Denn es steht geschrieben (Matthäus 5,21): Du sollst nicht töten. Wir sollen uns des Türken und anderer Verfolger nicht erwehren, sondern in strengem Gebet zu Gott anhalten, dass er wehre und Widerstand leiste. Dass ich aber gesagt habe: Wenn Kriegen recht wäre, wollte ich lieber wider die angeblichen Christen ziehen, welche die frommen Christen verfolgen, fangen und töten, als wider die Türken, das hat folgenden Grund: Der Türke ist ein rechter Türke und weiß vom christlichen Glauben nichts; er ist ein Türke nach dem Fleische. Ihr dagegen wollt Christen sein, rühmt euch Christi, verfolgt aber die frommen Zeugen Christi und seid Türken nach dem Geist.“

Am 18. Mai 1527 verkündete der Richter folgendes Urteil:  „Zwischen dem Anwalt kaiserlicher Majestät und Michael Sattler ist als Recht erkannt worden, dass man Michael Sattler dem Henker in die Hand geben soll. Der soll ihn auf den Platz führen und ihm die Zunge abschneiden, danach auf einen Wagen schmieden und dort zweimal mit glühenden Zangen seinen Leib reißen und danach, wenn man ihn vor das Tor bringt, ihm gleicherweise fünf Griffe geben.“ Nach dieser grausamen Folter wurde Sattler bei lebendigem Leibe verbrannt. Die mitangeklagten Männer wurden durch das Schwert hingerichtet. Sattlers Frau Margaretha wurde im Neckar ertränkt. Die anderen Frauen widerriefen und kamen frei.

Michael sattler folter
Folterung und Hinrichtung eines Mörders, kolorierte Federzeichnung von Johann Jakob Wick, 1585, Zentralbibliothek Zürich, Ms F 33, fol. 30v

Michael Sattlers letzte Worte bei der Urteilsverkündigung:

„ (…) Ich bin nicht gesandt, über das Wort Gottes zu rechten. Wir sind gesandt, davon zu zeugen. Deshalb werden wir uns unter kein anderes Recht begeben. (…) So wir aber uns dem Gericht nicht entziehen können, sind wir doch bereit, um des Wortes Gottes willen zu leiden, was uns zu leiden auferlegt wird.“
Michael sattler gedenkstein
Gedenkstein zur Erinnerung an die Hinrichtung von Michael und Margaretha Sattler am 21. Mai 1527, Rottenburg am Neckar. Der Gedenkstein wurde am 19. Mai 1997 eingeweiht.

Literatur:

Urs B. Leu, Christian Scheidegger (Hgg.): Das Schleitheimer Bekenntnis 1527. Einleitung, Faksimile, Übersetzung und Kommentar, Zug (Achius-Verlag) o.J.

Klaus Deppermann: Michael Sattler. Radikaler Reformator, Pazifist, Märtyrer, in: Protestantische Profile von Luther bis Francke. Sozialgeschichtliche Aspekte, Göttingen 1992, S. 48-64

Elisabeth Schröder-Kappus, Wolfgang Wagner: Michael Sattler. Ein Märtyrer in Rottenburg (1490-1527), Tübingen 1998