Eine Gravur, die Menschen in einem Boot zeigt, die auf einem ruhigen Gewässer fahren.

Die Bedeutung der Bibel für die Täuferbewegung

Mit den anderen reformatorischen Strömungen teilten die Täufer die Entdeckung der Heiligen Schrift als Quelle des Glaubens und Richtschnur für das Leben als Christ. Nur die Bibel soll der Maßstab unseres Glaubens und Handelns sein. Auf dieser gemeinsamen Grundlage entwickelten die verschiedenen Strömungen innerhalb der Täuferbewegung unterschiedliche Akzente des Schriftverständnisses.

Gemeinsam war jedoch allen, dass sie sich als eine „hermeneutische Gemeinschaft“ verstanden, also als eine Gemeinschaft von Menschen, die im Gespräch miteinander die Bibel auslegen und die biblischen Texte mit ihrem Leben in Verbindung bringen: „Wenn sie zusammenkommen, sollen sie, wo kein besonderer Vorsteher ist, einen unter sich, wen sie für tauglich ansehen, freundlich und lieblich ermahnen, ihnen nach seiner von Gott empfangenen Gabe zu lesen oder zu sagen, oder es soll sich sonst einer selbst aus Liebe zur Verfügung stellen zum Dienst. Und es kann einer nach dem andern – je nachdem, welchen etwas gegeben ist, wie Paulus lehrt (1 Kor 14) – reden und seine Gaben darlegen zur Besserung der Glieder, damit unsere Gemeinde nicht gleich sei den Falschberühmten, da nur einer und sonst keiner reden darf.“ (Gemeinsame Ordnung der Glieder Christi von Leopold Scharnschlager, um 1540)1

Auszug aus einem Interview mit Andrea Strübind

Unterschiedliche Akzente – Zitate aus der frühen Täuferbewegung

„Was uns nicht gelehrt wird mit klaren Bibelstellen und Beispielen, das soll uns so gut wie verboten sein.“2 (Brief des Zürcher Grebel-Kreises an Thomas Müntzer in Allstedt, September 1524)

„Es gibt mehr als genug Weisheit und Rat in der Schrift, wie man alle Stände, alle Menschen lehren, regieren, weisen und fromm machen soll.“3 (Brief des Zürcher Grebel-Kreises an Thomas Müntzer in Allstedt, September 1524)

„Trachtet nach dem hellen, klaren, lauteren Wort Christi, aus dem allein euch der Glaube kommt, in dem wir selig werden müssen.“4 (Summa eines ganzen christlichen Lebens, verfasst von Balthasar Hubmaier, Juli 1525)

„Die Heilige Schrift halte ich über alle menschlichen Schätze, aber nicht so hoch wie das Wort Gottes, das da lebendig, kräftig und ewig ist, welches aller Elemente dieser Welt ledig und frei ist. (…) Darum ist auch die Seligkeit nicht an die Schrift gebunden, wie nützlich und gut sie dazu auch sein mag.“5 (Hans Denck, 1527)

„Bevor ich anfange, auf dieses Büchlein zu antworten, ist es meines Erachtens sehr nötig, dass man einen rechten Prüfstein hat, um alles zu prüfen, eine Richtschnur, um danach alles zu messen, ja dass man einen guten Grund legt, auf dem alles wohl gebaut und gegründet werden kann. Aber der einzige Prüfstein und die einzige Richtschnur ist Gottes Wort, und der einzige Grund ist Jesus Christus.“6 (Antwort von Dirk Philipps auf zwei Briefe von Sebastian Franck, um 1565)

Täufer als Bibelübersetzer: Die „Wormser Propheten“

Die erste protestantische Bibel in deutscher Sprache erschien 1529 in Worms bei Peter Schöffer. Die darin enthaltenen Übersetzungen der Prophetenbücher des Alten Testaments waren schon zwei Jahre zuvor von zwei täuferischen Theologen herausgebracht worden. Ludwig Hätzer und Hans Denck hatten 1527 die Prophetenbücher aus dem Hebräischen ins Deutsche übersetzt. Dabei hatten sie auch ihre Kontakte zur jüdischen Gemeinde in Worms genutzt, sodass ihre Übersetzung sehr genau war. Innerhalb weniger Jahre erschienen zwölf Ausgaben der „Wormser Propheten“. Die Bedeutung der Schöffer-Bibel und damit der „Wormser Propheten“ ging jedoch zurück, als Zwingli und Luther ihre ersten Vollbibeln auf den Markt brachten (1531 und 1534).

Wormser propheten titel
  1. In: Heinold Fast (Hg.): Der linke Flügel der Reformation. Glaubenszeugnisse der  Täufer, Spiritualisten, Schwärmer und Antitrinitarier, Bremen 1962, S. 132)
  2. In: Heinold Fast (Hg.): Der linke Flügel der Reformation. Glaubenszeugnisse der  Täufer, Spiritualisten, Schwärmer und Antitrinitarier, Bremen 1962, S. 15
  3. In: Heinold Fast (Hg.): Der linke Flügel der Reformation. Glaubenszeugnisse der  Täufer, Spiritualisten, Schwärmer und Antitrinitarier, Bremen 1962, S. 19
  4. In: Heinold Fast (Hg.): Der linke Flügel der Reformation. Glaubenszeugnisse der  Täufer, Spiritualisten, Schwärmer und Antitrinitarier, Bremen 1962, S. 44
  5. In: Heinold Fast (Hg.): Der linke Flügel der Reformation. Glaubenszeugnisse der  Täufer, Spiritualisten, Schwärmer und Antitrinitarier, Bremen 1962, S. 198
  6. In: Heinold Fast (Hg.): Der linke Flügel der Reformation. Glaubenszeugnisse der  Täufer, Spiritualisten, Schwärmer und Antitrinitarier, Bremen 1962, S. 245