Portret van de wederdoper jan van leiden johan van leiden eyn koninck der wederdoper tho monster waerhaftich conter (titel op object), rp p ob 2808

Das Täuferreich von Münster

Auf dem zeitgenössischen Porträt ist Jan van Leiden (1509-1536) abgebildet, selbst ernannter König der westfälischen Stadt Münster. Mit seiner kostbaren Kleidung, Goldschmuck, Zepter und dem Wappen, einem von zwei Schwertern durchstoßenen Reichsapfel, inszeniert er sich als „König des Neuen Jerusalem“. Die beiden Schwerter zeigen seinen Anspruch, sowohl die geistliche als auch die weltliche Gewalt auszuüben.

Jan Beukelsz, so hieß er eigentlich, war ein Schneidergeselle aus Leiden/Niederlande. Er war von Jan Matthijs (1500-1534) im November 1533 getauft und nach Münster geschickt worden, um dort für täuferische Überzeugungen zu werben. Jan Matthijs war nach dem Tod Melchior Hoffmans der wichtigste Prophet der niederländischen Täuferbewegung geworden und vertrat radikale apokalyptisch-chiliastische Ideen.
Da diese Ideen in Münster auf relativ breite Zustimmung stießen, zogen viele niederländische Täufer in die westfälische Bischofsstadt, in der sie das künftige „Neue Jerusalem“ sahen und das Ende der Welt erwarteten. Viele Münsteraner Bürgerinnen und Bürger ließen sich taufen, darunter im Sommer 1533 auch der Pfarrer der Hauptkirche St. Lamberti, Bernhard Rothmann, unter dessen Leitung Münster zwei Jahre zuvor weitgehend evangelisch geworden war. Bei den Wahlen zum Stadtrat im Februar 1534 setzten sich die Täufer durch. Sie verfügten, dass alle, die sich nicht taufen lassen wollten, die Stadt verlassen mussten. Als im Februar 1534 Jan Matthijs nach Münster kam, wurde die Stadt nach alttestamentlichen Vorstellungen umgewandelt. Das Weltende erwartete man für April 1534. Die Stadt wurde nun von Truppen des Stadtherrn von Münster, Fürstbischof Franz von Waldeck, belagert, der die alte Ordnung wieder herstellen wollte. Einige Bürger verließen die Stadt, etwa 2000 Auswärtige aus den Niederlanden und dem Herzogtum Jülich zogen nach Münster und unterstellten sich der Täuferherrschaft. Dieser Zuzug war wohl auch dafür verantwortlich, dass die Gütergemeinschaft eingeführt wurde.
Nachdem Matthijs im April vor den Toren der Stadt von Landsknechten der Belagerungstruppen getötet worden war, konnte sich Jan van Leiden als neue Führungsgestalt durchsetzen. Er ersetzte den von den Bürgern gewählten Rat durch zwölf von ihm ernannte Älteste. Im September ließ er sich zum König ausrufen. Der Ältestenrat wurde aufgelöst. Schon im Sommer hatte Jan van Leiden angeordnet, dass wegen des großen Frauenüberschusses in der Stadt (ca. 70% der Bewohner waren Frauen) Männer mehrere Frauen heiraten sollten. Angesichts der Einkesselung der Stadt durch die Belagerungstruppen im Frühjahr 1535 verschärfte sich die Situation im Inneren immer mehr. Viele Menschen hungerten; Widerstand gegen die Täuferherrschaft wurde brutal unterbunden. Ca. 80 Menschen wurden durch die Täufer hingerichtet. Versuche, Unterstützer für die Täuferherrschaft in Holland und Friesland zu mobilisieren, schlugen fehl.
Das Täuferreich endete, als die Truppen des Fürstbischofs und des Landgrafen Philipp von Hessen in der Nacht vom 24. auf den 25. Juni 1535 Münster infolge Verrats einnehmen konnten. 600 Männer wurden getötet, die Frauen ausgewiesen. Jan van Leiden wurde mit Bernd Knipperdolling, dem Bürgermeister, und Bernd Krechting, einem Mitglied des Rates, gefangen genommen, am 22. Januar 1536 mit glühenden Zangen gefoltert und anschließend erdolcht. Ihre Leichen wurden in Eisenkörben an den Turm von St. Lamberti gehängt. Die Original-Körbe hängen noch heute am Turm. Münster wurde wieder katholisch.
Die Ereignisse von Münster wurden zum Wendepunkt der Täuferbewegung: einige versuchten, den in Münster eingeschlagenen radikal-gewalttätigen Weg fortzusetzen, andere – wie Menno Simons − sahen in Jan van Leiden einen falschen Propheten und verteidigten die Ideale der Täuferbewegung gegen die apokalyptisch-chiliastischen Verirrungen von Münster. Menno Simons schrieb: „So wahr Christus unser Meister ist und so wahr Er unser Richter ist, ebenso wahr ist Er unser König. Wo bleibt nun Jan van Leiden? O gräuliche Gotteslästerung für einen Menschen, sich einen fröhlichen König über alles zu nennen!“
Das Täuferreich von Münster war sofort nach seinem Ende Gegenstand zahlreicher Flugschriften und Abhandlungen. Diese Publikationen trugen mit dazu bei, dass im Reich noch härter gegen Täufer vorgegangen wurde. Bis heute ziehen Romane, Theaterstücke, Opern, Filme und Hörspiele, die die Ereignisse von Münster in oftmals dramatisierender Weise aufgreifen, ein fasziniertes Publikum in ihren Bann.

Literatur:
Karl-Heinz Kirchhoff: Die Täufer in Münster 1534/35. Untersuchungen zum Umfang und zur Sozialstruktur der Bewegung, Münster 1973
Ralf Klötzer: Die Täuferherrschaft von Münster. Stadtreformation und Welterneuerung, Münster 1992
Günter Vogler: Die Täuferherrschaft in Münster und die Reichsstände. Die politische, religiöse und militärische Dimension eines Konflikts in den Jahren 1534 bis 1536, Gütersloh 2013