Die gartenlaube

Ein neuer täuferischer Zweig entsteht: die Baptisten

Das Bild zeigt eine baptistische Gläubigentaufe, die am 14. Oktober 1838 von Johann Gerhard Oncken, dem Begründer des Baptismus in Deutschland, durch Untertauchen in einem Fluss vollzogen wurde.

Der Baptismus entstand 1609 in Amsterdam, als sich dort eine kleine Gruppe von Puritanern, die 1606 aus England geflohen waren, zu einem Bündnis zusammenschloss, das auf Freiwilligkeit und Unabhängigkeit beruhen sollte. Ihr Anführer war der ehemalige anglikanische Priester John Smyth, der – vielleicht unter mennonitischem Einfluss? – zu der Überzeugung gelangt war, dass die Säuglingstaufe keine rechte Taufe sei. 1609 taufte er sich selbst und anschließend seine Gruppe. In einem auf seinen Mitstreiter Thomas Helwys zurückgehenden Glaubensbekenntnis wird gefordert, „dass die Kirche Christi eine Gesellschaft gläubiger Menschen ist, die von der Welt durch Wort und Geist Gottes separiert und die mit dem Herrn und untereinander verbunden sind durch die Taufe auf ihr eigenes Bekenntnis des Glaubens.“ Die Taufe wurde durch Übergießen vollzogen; später setzte sich bei den Baptisten das dreimalige Untertauchen durch.

Als Smyth mennonitische Grundsätze wie Eidesverweigerung und Wehrlosigkeit übernehmen und sich den Waterländer Mennoniten in Amsterdam anschließen wollte, trennte sich Helwys mit einem Teil der Gemeinde von ihm und ging 1611 nach England zurück. Smyth starb 1612, Helwys gründete in England die erste Baptistengemeinde.

Zur Zeichnung rechts ein Blogbeitrag des Stadtarchivs Stuttgart: Seenotrettung, Eisbaden oder Mordversuch? Nein, die Neckartaufe der ersten Stuttgarter Baptisten 

Gläubigentaufe vollzogen am 14. oktober 1838 von johann gerhard oncken

Die ersten baptistischen Gemeinden in Deutschland gehen auf das Wirken von Johann Gerhard Oncken (1800–1884) zurück, der in England während seiner Ausbildung zum Kaufmann in Kontakt mit der methodistischen Erweckungsbewegung gekommen war. In Hamburg begann er mit dem Vertrieb christlicher Bücher und der Mission unter Seeleuten. Als er und sechs weitere Personen, darunter auch seine Ehefrau, sich am 22. April 1834 von dem amerikanischen Theologieprofessor Barnas Sears bei Hamburg in der Elbe taufen ließen, war die erste Baptistengemeinde in Deutschland geboren.

Oncken entwickelte eine nachhaltige Reise- und Missionstätigkeit, sodass bald weitere Baptistengemeinden entstanden. Oncken schickte seine Missionare, oft Handwerksburschen, denen er eine theologische Kurzausbildung gab, als Kolporteure durch ganz Europa, um erweckliche Schriften zu verbreiten. Bis 1848 wurden in Deutschland 25 weitere Baptistengemeinden gegründet. 80% der Gemeindeglieder waren Handwerker. Als Oncken 1884 starb, gab es etwa 32.000 Baptisten in 165 Gemeinden in ganz Europa.

Die Ausbreitung des Baptismus in Deutschland wurde begleitet von Diskriminierung und Verfolgung. Baptistische Versammlungen wurden verboten, Geld- und Gefängnisstrafen verhängt. Erst 1858 wurde die Hamburger Gemeinde vom Senat der Hansestadt offiziell anerkannt. 1888 erhielt der Bund der Baptistengemeinden in Deutschland die rechtliche Anerkennung und 1930 die Körperschaftsrechte.

Wichtige Mitstreiter Onckens in der Aufbauphase waren der Berliner Prediger Gottfried Wilhelm Lehmann und der aus Dänemark stammende, 1826 zum Christentum konvertierte Jude Julius Köbner. Lehmann hatte sich am Pfingstsonntag 1837 in Berlin von Oncken taufen lassen und wurde Pastor der dortigen Gemeinde. Auch Köbner, der 1835 die Hamburger Baptistengemeinde kennengelernt hatte, ließ sich 1836 taufen. Köbner wirkte als Prediger, Missionar, Liederdichter und Schriftsteller. Im Revolutionsjahr 1848 verfasste er ein „Manifest des freien Urchristentums an das deutsche Volk“, in dem er Religionsfreiheit für alle und die Trennung von Staat und Kirche forderte:

Aus dem Obigen wird es Jedem klar sein, daß wir dem Prinzipe der Religionsfreiheit huldigen. Wir empfangen diese edle Freiheit nicht erst heute aus der Hand irgendeiner Staatsgewalt, wir haben sie seit 15 Jahren als unser unveräußerliches Gut betrachtet, und sie, wenn auch auf Kosten unsrer irdischen Habe und Freiheit, fortwährend genossen. Aber wir behaupten nicht nur unsre religiöse Freiheit, sondern wir fordern sie für jeden Menschen, der den Boden des Vaterlandes bewohnt, wir fordern sie in völlig gleichem Maße für Alle, seien sie Christen, Juden, Muhamedaner oder was sonst.

Die ältesten Baptistenkirchen in Deutschland sind die in Hamburg (erbaut 1847) und Berlin (erbaut 1848). Während des Zweiten Weltkrieges wurden sie jedoch zerstört. Das 1850 erbaute kleine Bethaus in Felde (Ammerland/Nordfriesland) mit dazu gehörigem Friedhof ist somit das älteste erhaltene baptistische Gotteshaus.

Bethaus westerfelde felde sandsteintafel im giebel gregor helms
Baptistisches Bethaus in Westerfelde-Felde: Sandsteintafel im Giebel (Foto: Gregor Helms)
Gottfried Wilhelm Lehmann
Gottfried Wilhelm Lehmann
Johann Gerhard Oncken
Johann Gerhard Oncken
Julius köbner
Julius Köbner